Briefe

Ich von mir

Freitag, d. 3. 4. 71

Heute habe ich mit einem Mal alles verstanden. Die letzten 15 Jahre hatte ich ohnehin den Eindruck, das Konto überzogen zu haben, denn die Wände meines Zimmers sind dünner als ihr glaubtet.

Als Ernst starb, holtet ihr mich zuerst immer zum Fernsehen herüber und manchmal durfte ich auch auf die Kleinen aufpassen. Doch als ich dann nicht mehr laufen konnte, war ich für euch schon fast tot. Nie bin ich aus dem Rahmen gefallen oder habe mich anormal verhalten. Als ich 18 war, hat Ernst mich geheiratet und jeder Tag sah dem vorherigen ähnlich. Zuerst, als ich mich noch nicht damit abfinden konnte, war es fast eine Strafe, jeden Morgen im Spiegel das gleiche ausdruckslose Gesicht zu sehen und ich versuchte, mich loszuwerden, abzuschütteln, doch ich holte mich ein und war mir wehrlos ausgeliefert. Dann begann der erste Krieg, und ich war mit 4 Kindern allein. Als der Krieg zu Ende war, hatte ich noch 3 Kinder und einen Mann, der mir die Schuld am Tod des Jüngsten gab. Ich habe zwar immer gesagt, ich hätte nichts dafür gekonnt, doch ich weiß längst, daß ich uns belogen habe. 20 Jahre lang liefen wir dann wieder im Kreis, doch es hatte sich wieder alles gegen Deutschland verschworen, und wir mußten uns wehren. Wir wurden vertrieben und ich weiß nioch heute nicht, wo mein Ältester ist.

Seitdem konnte ich die Zusammenhänge nicht mehr verstehen und die Welt war nur noch für die Jüngeren da, sie sie gemacht hatten. Sie finden sich zurecht, ich verlief mich ständig. Nachts lag ich immer wach und dachte; dachte, was ich getan habe, und was ich hätte tun können. In letzter Zeit als ich dann ständig teilnahmslos dalag und nur noch von Tabletten lebte, habt ihr euch nicht mal mehr die Mühe gemacht, in mir den Eindruck zu erwecken, ich sei noch ein Mensch.

Pünktlich bist du alle 3 Stunden gekommen und hast gesagt: „So, jetzt wollen wir mal unser Geschäftchen verrichten.“ Immer dieser Satz. Und morgens fragtest du, immer wenn du die Gardinen aufzogst: „Na, wie geht es uns denn heute?“ „Gut!“ antwortete ich, so wie es sich für das nutzlose Stück Fleisch geziehmt, das du jeden Tag waschen mußtest. Es fiel dir schwer, dich zu beherrschen, wenn du mich füttertest und ich trotzdem noch alles vollkleckerte.

Heute morgen hast du das Fenster weit aufgemacht, die Sonne streichelt mein Bett. Die 3 Röhrchen der Schlaftabletten, die ich bis heute aufgehoben hatte, wird man sicher im Gesträuch auf dem Hof nicht vor dem Winter finden. Es ist doch ganz normal wenn man in meinem Altern nach fast zehnjähriger Bettlägrigkeit einschläft.

Samstag d. 4.4. (Lokalblättchen)

Viel zu früh im Alter von 83 Jahren entschlief nach langjähriger, schwerer Krankehit unsere liebe Mutter Rosemarie Leisemann.

In tiefer Trauer

Friedrich Leisemann

Gertrud Midlait

---------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------

Möbliertes Zimmer, 20 qm, Fenster nach Süden, zu vermieten.

Friedrich Leisemann Tel. 605943

Liebesnotizen

Mach dir keine Sorgen; wenn ich sage, ich liebe dich, erwarte ich eigentlich nur etwas völlig Unmögliches von dir, daß du mir jedesmal mit der gleichen Aufmerksamkeit und intensiven Wahrnehmung gegenübertrittst; als wäre ich der von dir soeben entdeckte 2.te einzige Mensch auf der Welt. –

Die Flucht vor der hechelnden Meute gebügelter Speichellecker aus den Büros ist mißlungen. Ihr undeutliches Gebrabbel, triefend von „überbetrieblich“ stinkendem Geifer, verfolgt mich bis in das vergeblich erhoffte Exil. Feuchter Aussprache Nebel umhüllen mich in der großen Leichenhalle. Habe ich für den Besucher des Zoos bereits den gleichen Gestank angenommen? –

Meine kalten Hände lege ich zu wärmen an deinen Leib. Das Vertrauen in die Erlaubnis dich zu berühren hat mich mutig gemacht. Deine Abwehr reizt mich, tieferes Einverständnis voraussetzend. Heimlich genießt du, daß ich glaube, dir zu gefallen. Trotz deiner Spröde liebst und brauchst du meine kecke Berührung. Wüßtest du, ich käme nicht wieder, könntest du nicht einschlafen. Meine Neckereien würden dir fehlen. Ich habe keine Angst dich zu verlieren. –

Es dämmert schon wenn ich nach hause komme. Wieder vergeht ein trauriger Tag von dem mir etwa zehn Stunden fehlen bis auf die Zeit in der ich mit den anderen sprach. Denen fehlt das gleiche. Ein Sommer den ich kaum wahrgenommen habe ist vorbei auch wenn das Gras noch grün ist und es regnet wenn ich nach hause komme. Die kalte Luft erinnert mich daran, daß ich ein Mensch bin daß ich ein Tier bin und jeder Regentropfen der in meine Augen fällt wird eine Wellte. Sie erinnert mich an das Meer aus dem ich komme und aus dem du kommst, sie spült uns dahin zurück für einen kurzen Augenblick.

Dann wollen wir nicht mehr auf Steinen laufen

und unser Essen nicht mehr kaufen

keine toten Lichter sehen

und morgen nicht zur Arbeit gehen

den schönen langen Tag verkaufen

und abends dann das Geld versaufen

Doch weil ich Angst habe, daß du von meiner Seite weichst, werde ich doch gehen und morgen Abend in der Dämmerung, im Regen, habe ich vielleicht meinen Traum vergessen. –

Nach 8 Stunden im Büro, ohne die Möglichkeit mich nur für 5 Minuten mit der Tätigkeit identifizieren zu können, steige ich in die überfüllte Bahn und als Inhalt des Tages bleibt mir wieder nur die gelebte Solidarität mit den Kolleginnen. Der etwa 30jährige Ausländer, der mir gegenüber sitzt, rückt mit seinen Knien näher an meine heran und mein mir „selbst bewußt sein“ wird Verlegenheit. Obwohl es stockdunkel ist sehe ich aus dem Fenster [In der U-Bahn vor mir starrt jeder stur gerade aus]. Okay, er ist Ausländer und ich habe viele schlechte Erfahrungen und in meinem Kopf läuft das häßliche Schema von Empörung und Ablehnung ab. Aber dieser Mann mir gegenüber hat eine Aktentasche auf dem Schoß und ist vielleicht ein Kollege, ein Genosse und kommt wohl wie ich von der Arbeit. Er wird aufdringlicher, kommt noch näher heran, klemmt meine Knie zwischen seinen ein und glotzt mir zwischen die Beine. Ich mache die vage Andeutung der Geste des Kotzens, bin endlich am Zielbahnhof, kann aussteigen und bin traurig; mehr konnte ich, trotz meines Selbst-Bewußtseins, aus der Gewohnheit der Unterdrückung in dieser Situation für mich nicht tun. -

Mein Schwarz ist dein Schwarz, mein Weiß deines.

Meine Ketten sind deine, aber du hast keine für mich.

Du glaubst mir, ich glaube niemandem.

Während du auf mich wartest, laufe ich vor dir weg.

Selten bin ich bereit mit dir zu sprechen; wenn ich dich brauche, bist du immer ansprechbar.

Bevor du mein Freund warst, ging es dir besser.

Du lebtest in heiterem Frieden mit dir und warst dennoch gerecht.

Jetzt bist du meist ernst und traurig, aber deine Sanftmut hast du nicht verloren.

Begierig lernte ich von dir alles was für mich verwendbar erschien,

jetzt lerne ich von anderen.

Ich bin schon viel härter und damit viel stärker geworden.

Wenn ich einschlafen kann, ohne das Bedürfnis zu haben, daß du meine Hand hältst,

werde ich mich ganz von dir trennen.

Es ist mein Weg und wenn er mich im Nebel an den Abgrund führt

dann wirst du nicht mit mir fallen. –

Diese Revolution, Genosse, wirst Du entweder heute morgen oder niemals machen.

Ob Du mit mir schläfst oder aufwachst oder mit Dir allein.

Ob Du bisher wußtest, was Du willst oder ob Du es „nur“ gefühlt hast. –

Die 24 Stufen der Berta Braun

Heute, wie so oft, stand ich auf dem Bahnsteig des Bahnhofs, an dem ich immer umsteige wenn ich morgens zur Arbeit fahre. Ein wenig nervös, auch wie immer, weil ich wohl wieder einige Minuten zu spät kommen würde. Mit unruhigem Blick schweiften meine Augen zwischen der neonbeleuchteten Uhr und der Richtung, aus der gleich die Bahn kommen würde umher. Eine kleine alte Frau mit einer beigen Tragetasche stand oben an der Treppe die zu dem Gleis hinab führte auf dem ich stand und an der Schwerfälligkeit mit der sie nach dem Geländer tastete, sah ich daß ihr das Bewegen nicht mehr leicht fiel. Sie verfehlte die erste Stufe und verlor das Gleichgewicht. Wie in einer Verfilmung in Zeitlupe sah ich sie langsam und stumm fallen, erst mit dem Gesicht nach vorn und dann nach dem ersten Aufschlag seitlich. Sie rollte die grauen, glitzernden Stufen herab. Am Treppenabsatz blieb sie kurz liegen und bewegte sich leicht, dadurch rollte sie weiter, so, als ob es ganz selbstverständlich wäre, ohne einen Laut, die Tasche hatte sie immer noch fest umklammert. Dann hatte das Fallen sein Ende gefunden, kurz vor meinen Füßen blieb sie liegen. Meine Erstarrung löste sich und mir wurde klar, daß die Situation Wirklichkeit war. Als ich mich bückte lächelte sie mich an, und sofort verlor ich den Realitätsbezug wieder. Mit ziemlicher Anstrengung öffnete ich ihre verkrampfte kleine Hand und legte ihr die Tasche unter den blutenden Kopf. Sie muß ziemlich schlimm verletzt gewesen sein, denn irgendwie lag sie verkehrt. Aus der Traube der Umstehenden die sich hinter meinem Rücken gebildet hatte, löste sich ein ältere Mann und kniete sich ebenfalls hin. Wer sich nicht an dieser Gruppe vorbei gedrängelt hatte, starrte aus eisiger Höhe auf uns herab. Jemand sagte etwas von einem Unfallwagen und ich lief los. Die nächste Möglichkeit zu telefonieren war der Blumenladen oben am Anfang der Treppe. Automatisch zählte ich beim Hinaufrennen die Stufen; es waren zweimal zwölf. Die Blumenverkäuferin machte einen genervten Eindruck als ich sie bat, einen Unfallwagen zu rufen und redete dummes Zeug, warum denn die Frau wohl gefallen wäre und so. Ich legte ihr ein Fünfzigpfennigstück auf den Tisch und da telefonierte sie dann. Ohne sie zu fragen, ging ich in den hinteren Raum und wusch mir das Blut von den Händen. Als ich wieder auf dem Gleis ankam, war der Bahnsteig fast menschenleer. Nur noch eine junge Frau in Jeans hockte neben der alten Frau. Inzwischen war wohl die Bahn gefahren und die Leute mußten ja schließlich zur Arbeit. „Ich habe auf Ihre Handtasche aufgepaßt“, sagte mir die junge Frau und hielt mir meinen Lederbeutel hin. Sie stand auf und huschte die Treppen hinauf. „Der Krankenwagen kommt gleich“, sagte ich zu der alten Frau und als sie ihre blutenden Lippen öffnete, sah ich, daß sie noch alle ihre eigenen Zähne hatte. „Ich will nicht ins Krankenhaus", sagte sie, „ich will in die Kirche.“ Ob ich jemanden von ihrem Unfall informieren solle, fragte ich sie in meiner Hilflosigkeit. Sie sagte, daß es niemanden gäbe, der sich über ihr Ausbleiben wundern würde und ich wußte, daß ich etwas Verkehrtes gesagt hatte. „Wenn ich erst mal ins Krankenhaus komme, dann komme ich nicht wieder hinaus.“ Ich wußte, daß sie Recht hatte und daß ich ihr nicht helfen können würde. Kurz bevor zwei weißgekleidete Männer mit einer Trage erschienen, fiel mir erst ein, daß ich ihre Hand halten könnte. „Wie heißen sie denn?“ war die erste Frage. Geduldig und völlig ruhig nannte sie ihren Namen: „Berta Braun“, als ob sie in einer Behörde einen Antrag stellen wollte. „Wo wohnen Sie? Wie alt sind Sie? Und wie ist der Unfall passiert?“ Sie nannte ihre Adresse und sagte, daß sie achtzig Jahre alt wäre, sie sei gefallen, von ganz oben am Treppenbeginn. Erst als ich das bestätigte, glaubte der Träger der irgendein Formular ausfüllte, daß sie auch wirklich die ganze Strecke hinuntergefallen sei. Allerdings über die Unfallursache war er nicht zu belehren. Er unterstellte, daß der alten Dame schlecht geworden sei und er ließ sich darüber weder von ihr noch von mir beeinflussen. Ich habe gesehen, daß er das trotz unserer Proteste so aufschrieb. Dann erst legten sie Frau Braun, die alle ihre Angaben langsam und sächselnd gemacht hatte, auf die Trage. Als sie sie wegtrugen lächelte sie mir nochmals aufmunternd zu. Mit einem weiteren Fünfzigpfennigstück erkaufte ich mir die Genehmigung, noch einmal zu telefonieren. Ich sagte, daß ich etwas später an meinem Arbeitsplatz eintreffen würde. Bevor ich dann losfuhr, setzte ich mich noch einmal oben am Bahnhof auf eine Bank und rauchte eine Zigarette. Als mir dabei der Geruch alten Blutes in die Nase stieg, wurde mir übel; aber irgendwie nicht deswegen. An meinem Arbeitsplatz angekommen, wusch ich mir als erstes noch einmal die Hände.

an einem herbstmorgen

gelangweilt und überflüssig

kehren die großen steinbrocken

zu ihren felsen zurück

verständnisvoll platz machend

für die bäume und deren freunde

zögernd erheben sich

die letzten schwarzen krähen

von den kadavern der angst

und fliegen als blaue schwalben

in den offenen himmel

aufatmend läßt der rote_klatschmohn

die verräterischen blütenblätter fallen

und wagt jetzt die nackte schönheit

seines festen fruchtkörpers

der lächelnden wiese zu zeigen

sanft wischt der ozean des mutterleibes

den fluch von den stirnen der ungeborenen

damit frieden herrsche

von nun an

in den universen ihrer gedanken

an diesem morgen

wird die klarheit des traums

selbst mit dem erwachen nicht vorüber sein

Brief von Norbert

Hannover, d. 2.9.80

Liebe Marina,

die Schreibmaschine ist   ----

Hymne an die Freiheit

Es ist möglich, zu sprechen

Ohne den Knoten im Hals

Es ist möglich zu lieben

Ohne daß jemand es verbietet

Es ist möglich, zu laufen

Ohne daß es ein Flüchten wäre

wenn Du Lust hast zu singen, dann sing!

Es ist möglich, zu gehen ohne den Blick zu senken

Es ist möglich, zu leben, ohne zu kriechen

Deine Augen hast Du, um in die Sterne zu schauen

Wenn Du Nein sagen willst, dann schrei mit mir Nein

Es ist möglich, anders zu leben

Es ist möglich, aus einer Hand eine Waffe werden zu lassen

Die Liebe ist möglich, das Brot ist möglich

Es ist möglich, aufrecht zu leben

Laß Dich nicht einschüchtern

Laß Dich nicht dressieren

Es ist möglich, zu leben, und nicht nur so zu tun

Es ist möglich, ein Mensch zu sein,

Es ist möglich, frei, frei, frei zu sein

angekommen ! ! ! ! ! !

Richtiger Brief folgt.

Liebe Grüße, Freiheit für alle und für die, die gegen

unsere Freiheit sind ein Grab, aber ohne Grabstein, da-

mit wir sie

Sehenswürdigkeiten.

Es war an einem Sonntagnachmittag, als ich an einem Fenster in meiner Wohnung stand und interessiert die vielen Menschen betrachtete, die nun schon ein paar Stunden da draußen ausharrten. Der Tag war sehr warm, und die vielen Imbissbuden und Erfrischungsstände fanden regen Zuspruch. Eine Blaskapelle spielte zur Unterhaltung, und manchmal klatschte die Menge Beifall, wenn sie ein Musikstück für besonders gelungen hielt.

Drüben, auf dem Platz vor der Justizvollzugsanstalt hatten sie ein großes hölzernes Podest gebaut, mit einem Rednerpult, und die vielen Mikrofone, die sie an dem Pult befestigt hatten, blitzten und funkelten in der Sonne. Dutzende von Lautsprechern hatten sie an den wenigen Bäumen befestigt, die es noch in diesem Stadtviertel gab. Sie sollten die Rede des Leiters der JVA übertragen. Kinder, kleine Deutsche Fähnchen schwingend, drängten sich an den Absperrgittern, die den Platz sowie die Straße säumten. Die Menschenmenge wurde immer größer!

Die Presse, der Rundfunk und sogar das Fernsehen waren anwesend, um über das kommende Ereignis zu berichten!

Der Anstaltsleiter, der bis eben mit einigen Ärzten, mit zwei Vertretern der Kirche, mit dem Justizminister, sowie mit anderen “Menschen“ zusammengestanden hatte, begab sich nun zu dem Podest, stieg die Stufen hinauf und ging an das Rednerpult. Die Menge wurde ruhiger, die Blaskapelle hörte auf zu spielen, und alle Augen wandten sich dem Konvoi zu, der ganz hinten, am Ende der Straße in Sicht kam. Vorneweg fuhren zwei Polizeibeamte auf Motorrädern, dann kam ein Polizeiauto mit eingeschaltenem Blaulicht, dem ein Transportwagen der JVA folgte. Sen Abschluss bildeten wiederrum zwei Beamte auf Motorrädern. Jubel kam auf! Die Menge drängte an die Absperrgitter, wo zahlreiche Polizeibeamte eine Kette bildeten, um so die Menge zurückzuhalten.

Fernsehkameras richteten ihre Linse auf den Konvoi, der nun direkt vor dem Podest zu halten kam. Begeisternder Jubel brandete auf, als zwei Beamte der JVA an den Transportwagen traten und die Schiebetür öffneten. Sie packten den Mann an den gefesselten Händen und zogen ihn aus dem Wagen.

Die Begeisterung der Massen wurde immer größer! Der gefesselte Mann wurde auf das Podest geführt, wo der Anstaltsleiter sich nun an die Menge wandte und beschwichtigend die Arme hob. Die "Menschen" wurden wieder ruhiger. Und dann hörte ich die Stimme durch die vielen Lautsprecher.

"Liebe Bürger, ich bin stolz darauf, heute den Einmillionsten Gefangenen zu übernehmen! Ich danke für das in uns gesetzte Vertrauen und möchte Ihnen versichern, daß wir nur alles menschenmögliche tun werden, um den Gefangenen zu Resozialisieren, um ihn dann, nach gelungener Umwandlung, wieder der Gesellschaft zu übergeben... "

Ich hörte noch eine Weile zu. Dann ging ich in den Keller, denn nun wurde es Zeit, daß meine Bombe fertig wurde...

z.Zt. auf der Flucht... (vielleicht erschossen)

blues

die schwarz-blaue kuppel

mit den sternen

wölbt sich in der nacht

durchsichtig über unseren häusern

als ein grabhügel

vor dem die dächer

die ungläubigen schützen

wie seidenpapier

vor steinlawinen

in dieser geborgenheit

wohnt der blues

das ticken des weckers

wird mit dem atem des schläfers

der rhythmus

- der gesang setzt unerwartet ein

in abgestumpfter verzweiflung

schreit die geschlagene frau

das wort  m ö r d e r

in die leere straßenschlucht

desinteressiert

schweigen die erlogenen götter

der herzschlag

zerstört im falschen takt verkrampft

den schlaf den blues und die stille

in der anderen realität

wird er getröstet

nähe wärme atem

der rhythmus setzt wieder ein

die sängerin schweigt

in der klirrenden kälte

eisiger frieden

blues

morgengrauen

rhythmische stöße der hüften

berührung übertönt

laut und lebendig

die angst und die dunkelheit

schweiß wäscht die schuld und die unschuld

mit dem selben strom

von den zuckenden körpern der tänzer

Brief an und von Dieter Schütt

26.11.80

Lieber Dieter Schütt

den ersten Funken (Nr.22), der in meine Hände geriet, habe ich, weil ich meine Überlebenstechnik hier, im menschenfeindlichen Kapitalismus, gelernt habe, geklaut; in der Tulpe, mit der Absicht, ihn später zu bezahlen, sofern ich ihn sinnvoll fände - ich bezahle ihn hiermit.

Kritik, die zu äußern mir wichtig erscheint, habe ich eigentlich nur zu 2 Punkten, was, wenn ich mir überlege wie mir das sonst häufig mit Schriften von der Länge einer einzigen Seite geht, relativ wenig ist.

1. zu Deiner Kritik an den Grünen:

Weil ja nun mal unser Erdendasein befristet ist, kann ich nicht verstehen, daß Du Dich, in Anbetracht Deiner Stellungnahmen zu ihnen, weiterhin als den Grünen zugehörig erklärst. Politische Arbeit kostet, wo und wie auch immer, Zeit, Geld und vor allem viel Kraft; Kraft proportional zu den inhaltlichen Widersprüchen die man an der Gruppierung in der man arbeitet hat.

Weil aber, wie Du selbst im Funken mehrfach direkt oder indirekt an verschiedenen Stellen äußerst, die Revolution sich nicht "parlamentarisieren" und damit auch nicht legalisieren läßt (Du beschreibst selbst die stützende Wirkung der Grünen für den Kapitalismus), das herrschende Recht ist immer das Recht der Herrschenden und welchen Spielraum sie ihren Instrumenten, den Parteien einräumen, wissen sie selbst am besten, fürchte ich, daß Du Zeit und Kraft vergeudest. Die Bewegung lebt - auch und gerade außerhalb der oft lautstarken Szene massenfeindlicher außerparlamentarischer Besserwisser.

2. 'die Ideologie der genetisch begründeten Mentalitätsunterschiede`(Gorillas):

Auf Grund Deiner ansonsten geäußerten Ansichten gehe ich davon aus daß Du eine materialistische Weltanschauung vertrittst; sonst hielte ich auch diesen Brief für reine Papierverschwendung. Du selbst hast eine recht gute Einschätzung in Deiner Zeitung über Identifikation, bewußt oder unbewußt stattfindend, mit der Ideologie des Hitlerfaschismus in einem Artikel geliefert, in einem anderen entwickeltest Du, weit zurückgreifend, die Vorstrukturierung deutschen Bewußtseins dafür. Leider zeigt Dein Gorillaartikel, daß auch an Dir diese negative gesellschaftliche Erziehung, denn Bewußtsein wird ja zwischen den verschiedenen Generationen lückenlos überliefert, nicht vorbeigegangen ist, bzw. daß Du, was wohl kaum einem Individuum gelingen dürfte, es trotz Erkenntnis der gesellschaftlichen Mechanismen, nicht in allen Bereichen geschafft hast, diese negativen 'Lernerfolge' soweit aufzuarbeiten, um sie aus Deinem Bewußtsein zu verbannen. Mit einer historischen Erklärung für das Entstehen der Judenverfolgungen tut sich die deutsche Linke heute üblicherweise nicht mehr so schwer; andere Lebensgewohnheiten, eine fremde, mitgebrachte Religion, die für die Bevölkerung des Einwanderungslandes unverständlich war, führte, ebenso wie anderes Aussehen und verschiedene Sprache, zu einer Nicht-Integration in die Gesellschaft und später zu Isolation und den ersten Berufsverboten. Daß es Rassisten und Faschisten dann zu gegebener Zeit ein Leichtes war, mit 'unreiner Erbmasse' und 'minderwertigem Blut' zu argumentieren und damit die fremde Mentalität in verteufelnder Weise zu 'erklären‘, um damit die eigenen Teufeleien zu verschleiern und 'zur Stärkung der Volksgemeinschaft' einen unter keinen Bedingungen integrierbaren Feind zu kreieren, wird heute sogar im bayrischen Geschichtsunterricht vermittelt. Die verzerrte Wirkung zur Ursache zu erklären, war während der Gewaltherrschaft des National-5ozia1ismus eine der beliebtesten Taktiken die Massen zu religiös zu nennendem Fanatismus zu verhetzen. Auch nur ansatzweise in ähnliche Richtung zu tendieren, müssen wir uns mit aller Sensibilität, die aufzubringen wir in der Lage sind, hüten lernen und gegenseitig lehren. Ich meine nicht, daß Du in Deinem Artikel das Gleiche tust wie die Nazis, denn mir ist durchaus klar, daß Du kein Menschenfeind bist. Aber den Denkansatz, den Du da vermittelst, halte ich für ebenso verkehrt, wie gefährlich. Ich hoffe, daß Du massenhaft mit Briefen dazu bombardiert wirst.

Ich selbst habe in meiner damaligen MG mit zwei Nigerianern zusammengelebt, und übelste Erfahrungen damit gemacht, wie die Deutschen aus ihrer Geschichte gelernt haben! Einmal wurde ich sogar in einem Lokal in ihrer Begleitung als Niggerhure beschimpft, meine Tante gar, warf meiner Freundin, die mit einem der beiden eine Beziehung hatte, R a s s e n s c h a n d e vor, als sie sie einmal Hand in Hand auf der Straße sah. Auch jetzt ist die Aussage "der Schoß ist fruchtbar noch, aus dem das kroch" zutreffend. Sicher hatte ich auch Probleme mit vielen Verhaltensweisen meiner beiden Freunde und von deren Freunden. Frauenfeindlichkeit und kritikloses Konsumverhalten haben mich ziemlich häufig genervt - nur, das hat gesellschaftliche Ursachen und ist nicht etwa eine 'genetisch bedingte Mentalität‘.

In Deinem Artikel vergleichst Du, was man sowenig vergleichen kann, wie Kartoffel und Banane. Klar, beides sind Früchte, aber da hören die Gemeinsamkeiten auch schon auf. Gorillas, Schimpansen und Orang-Utans sind drei völlig verschiedene A R T E N von Menschenaffen, die sich jeweils wieder in verschiedene Rassen unterteilen. Rassenmerkmal ist die Möglichkeit, trotz sichtbarer und unsichtbarer Unterschiede, gemeinsame, wiederum zeugungsfähige Nachkommen zu erzeugen. Arten jedoch, sind niemals untereinander vermischbar, da sich der gemeinsame Stammbaum, der sie (letztlich stammt ja alles was da so kreucht und fleucht aus der gleichen Suppe) hervorgebracht hat, an zu weit auseinanderliegen Punkten verzweigt hat. Mentalität aber,-ist nun keinesfalls erblich. Mentalität ist nichts anderes als Verhalten, das zurückzuführen ist auf die Aufnahme und Verarbeitung von Sinneswahrnehmungen. Zwar sind die Sinneswahrnehmungen aller Menschen verschieden, aber die Sinne mit denen wir Menschen ausgestattet sind, sind auf der ganzen Welt die selben. Zwar gibt es eine gewisse Spezialisierung auf Grund der Umweltbedingungen (z.B. bei jagenden Völkern, die durch permanente Notwendigkeit bei ihrem Nahrungserwerb oft besser hören, sehen und riechen können als wir umweltverschmutzten instinktverwahrlosten und gefühlsdeformierten Zivilisationsneurotiker), die jedoch erlernt ist, und Lernen ist ja eine Tätigkeit, die auch von den Sinneszellen geleistet wird, auch wenn sie bei uns leider häufig als Abstumpfung in Erscheinung tritt, sonst würden wir es wegen des Lärms, des Gestankes und vieler anderer Segnungen unserer 'überlegenen Zivilisation' hier in den Ballungszentren gar nicht mehr ertragen.

Also, Reaktionen von z.B. Afrikanern in emotional besonders geladenen Situationen (ich meine Deine Beispiele Schlägerei und Reaktion auf Musik) die oft so befremdlich auf uns wirken, haben nicht mehr mit Biologie zu tun, als das jedes Lebewesen auf der Erde in einen biologischen Kreislauf eingebunden ist, also damit, daß es überhaupt lebt. Sie sind vielmehr begründet in einer tradierten Verschiedenheit der Auseinandersetzung mit Körpersprache, Sexualität, Arterhaltungstrieb und Hierarchie. In einer stammes- oder hordenorientierten Kleingruppe ist es wichtig (weil die Gruppe die Produktionsgemeinschaft darstellt und nicht in überlebensgefährdende Mitleidenschaft gezogen werden darf), die Aggressionen, zu deren Abbau kämpferische Auseinandersetzungen notwendig sind, so auszutragen, daß möglichst wenig Schaden dabei angerichtet wird. Damit dieser soziale Akt trotzdem nicht seine Wirkung verfehlt, wird die ernsthafte Verletzung des Gegners häufig in sogenannten Scheinkämpfen, mit vielen Beschimpfungen und lautstarkem Spektakel, vermieden, oder durch einzelne Elemente davon gemildert.

Musik hat sehr viel mit körperlichem Selbstverständnis, dessen Ausdruck und mit sublimierter Sexualität zu tun. In einer Gesellschaft, die, egal in welcher Intensität und nach welchen Kriterien, hierarchisch strukturiert ist, kann Sexualität nicht frei ausgelebt werden, und findet deshalb, als einer der wesentlichen menschlichen Triebe ihr Ventil in der Umsetzung in akustische Signale und Körpersprache. Wenn nun Menschen sehr viel weniger als wir hier, von ihrem natürlichen Selbst entfremdet leben, weil sie mit der Natur, als Teil davon, und nicht gegen sie leben, macht sich das in ihrer Musik, und in der Reaktion auf Musik überhaupt, halt auch bemerkbar. Daran ändern auch ein paar Generationen Zivilisationsverkrüppelung nur wenig, solange die Menschen immer noch in Zusammenhängen mit ihrer eigenen Kultur, und sei es nur mit anderen Entwurzelten des gleichen Bodens, sozialisiert werden. Sicher ist auch in den verschiedenen afrikanischen Kulturen Sexualität genormt. Nur, daß Normen und die zu ihrer Durchsetzung und Aufrechterhaltung notwendigen Sanktionen, völlig andere sind, als die, in unserem christlich versauten Abendland (z.B. Klitorisbeschneidungen zur Stützung weiblicher Monogamie in "jungen" Patriarchaten, die auch heute noch in Afrika, dem Orient und orientalisch beeinflußten Mittelmeerzonen häufig vorkommen, was wohl mit dem fehlenden oder an diesem Punkt wenig ausgeprägten Einfluß des "humanen" Christentums zusammenhängt, der in unseren Breiten seine Eignung als Perversionsinstrument, und nicht nur Sexualität betreffend, wohl hinlänglich unter Beweis gestellt hat.).

Sollte Dein Artikel als Provokation gedacht gewesen sein - bei mir ist sie Dir dann jedenfalls gründlich gelungen.

Trotzdem, ganz liebe und solidarische Grüße

Hamburg, den 1.12.1980

Liebe Genossin Marina!

Über Deinen Brief habe ich mich sehr gefreut! Herzlichen Dank! Die 10.- DM, bzw. 8.- DM schreibe ich Dir gut und schicke Dir dafür die nächsten FUNKEN usw.

Nun zu Deiner sehr gründlichen und ausführlichen Kritik.

Vorweg gehe ich nicht davon aus, daß unser "Erdendasein" befristet ist. Ich stell das ohne Beweis in Frage, wehre mich aber, wenn "totale Materialisten" (die dann keine sind) auf alles schon eine Antwort wissen. Die Naturwissenschaften sind noch längst nicht "ausgeschöpft“.

Warum ich noch in den GRÜNEN bin?

1.) Sehe ich im Ansatz bei den GRÜNEN kulturrevolutionäres Denken, d.h.  sie sind Teil des Neuen Zeitgeistes, welcher davon ausgeht, daß die bisherigen Alternativen zum Kapitalismus (Marxismus-Leninismus) nicht mehr ausreichend sind. Beim Leninismus trifft das besonders zu. Ich sehe, auch besonders was die Ökologie betrifft, daß die GRÜNEN fortschrittlicher als die traditionellen Kommunisten sind. Allerdings gebe ich zu, daß hier nur Ansätze deutlich geworden sind und die Praxis weitgehend im Alten stecken bleibt.

2.) Bin ich deshalb auch noch drin, weil wir in Altona eine Gruppe von GRÜNEN innerhalb der GRÜNEN haben, wo neue Denkanstöße zum Tragen kommen und wir uns in dieser Gruppe wohlfühlen, befreundet haben, und die Stunde eines Austritts noch nicht gekommen sehen. Wir haben vor kurzem ein kritisches Treffen initiiert (Aufruf an alle Hamburger GRÜNEN) wo 50 GRÜNE anwesend waren. Auf diesem Treffen wurden besonders die machtegoistischen Erscheinungen im Hamburger Landesverband kritisiert.

3.) Betrachte ich die GRÜNEN als ein Vorstadium um die Theorie vor allem weiterzuentwickeln. Zwangläufig müssen sich in diesem Prozess die GRÜNEN entwickeln und ihre bisherigen Positionen aufgeben. Den parlamentarischen Kampf betrachte ich als sekundär. Er ist nicht mehr als die Legitimierung des Volksanspruches in Zahlen! Der Beweis! Leider konnten sogar die Nazis sich darauf berufen und brauchten keinen Putsch. Sie kamen legal an die Macht.

Illusionen über Parlamentarismus (Primärform) mache ich mir nicht. Sobald eine Bewegung sich auf den Parlamentarismus beruft, ist sie dem Untergang geweiht. Siehe Chile usw. Der revolutionäre außerparlamentarische Kampf muß die Voraussetzung zur Machtübernahme sein. Und mit Machtübernahme meine ich Volksherrschaft im Luxemburgischen Sinne.

Zu den "Gorillas".

In dieser Frage habe ich nicht nur von Dir Kritik erhalten. Ich weiß, daß ich da in ein gefährliches Fahrwasser abgerutscht bin und wollte auch etwas provozieren. So ganz ablegen kann ich die Sache nicht. In meinem Artikel schreibe ich, daß sich alle Rassen vermischen sollen und natürlich fordere ich keine Rassentrennung. Mir kam es lediglich auf Symptome bei den Schwarzafrikanern an und warum es gerade ihnen gegenüber so starken Rassismus gibt. Du hast versucht die Symptome zu erklären. Okay! Es ist aber schwierig der Masse der Menschen - hier - und woanders, das zu erklären, wenn sie eigene negative Erlebnisse haben. Erst gestern hatte ich wieder einen Afrikaner in der Taxe (ich bin Taxifahrer, wie Du weißt), der mich auch anmachte, ich hätte einen Umweg gefahren. Man/frau wird also überdurchschnittlich viel von Schwarzafrikanern beleidigt und angemacht. Das sind erst einmal die Tatsachen. Damit meine ich natürlich nicht, dies auf "unreine Erbmasse" zurückzuführen usw. Ich meine aber, daß sich aus den verschiedenen Primaten auch verschiedene Menschen entwickelt haben (ohne das negativ oder positiv zu werten). Die Umstände der Entwicklung bei Schwarzafrikanern sind eben anders verlaufen; anders ist aber keine Qualifikation. Anders sind viele Menschenrassen. Trotzdem bin ich mit Dir der Meinung, daß die Sinne der Menschen bei allen Menschen g l e i c h sind.  Ich lebe seit 6 Jahren in der Familie mit einem Pakistani zusammen. Eine Freundin von mir meinte, das könnte sie nie, weil die Kulturen so unterschiedlich sind und man/frau zwangsläufig zusammenstoßen muß, so daß so eine Bindung nicht halten kann und unter Deutschen besser halten muß.  Inzwischen ist diese Freundin von ihrem deutschen Mann geschieden. Ich habe feststellen können, daß in der Tat eine Sinnesgleichheit vorhanden ist, die individuell entschieden wird. Kommen Leute hier nicht klar, dann liegt es daran, daß sie sehr gegensätzliche Auffassungen haben, was, aber keine Ursachen in den *verschiedenen* Kulturen hat. Aber Jeder Mensch hat seine eigene Mentalität, sein eigenes Temperament usw. Treffen sich hier bei allen Völkern gleiche Werte zwischen zwei Kulturen, dann findet ein Konsensus statt und die Kulturen werden wirklich zweitrangig.

Was mich als sensibler, gerechtigkeitsliebender Mensch und Menschenfreund, bei den Schwarzafrikanern (bei vielen, nicht bei allen) stört, ist deshalb nicht ihre Kultur oder ihr Entwicklungsweg, sondern die Aggressivität die ein Teil von ihnen hat. Vielleicht, oder sicherlich, aufgrund ihrer Umwelterscheinungen, ist das nur eine Schein- oder Abwehraggressivität; sie mögen weniger brutaler sein als andere Menschen auch, aber ersteinmal bin ich mit der Aggressivität konfrontiert. Du kannst nun sagen, das ist mein Problem, wenn ich das nicht verschlucken kann. Ich kann mich natürlich in einen rationellen und emotionellen Mensch begreifen, jeder macht das wohl. Und rationell habe ich wirklich viel von dem begriffen, was Du sagst. Was mich stört - allgemein - ist, das es keine tiefschürfende Analyse über S Wesen des Rassismus gibt. Auf der einen Seite der Faschismus, auf der anderen Seite die Gleichmacherei aller Menschen durch die Linken. Differenzierungen, warum, weshalb, Störungen zwischen Rassen auftreten werden kaum angestellt. Versucht es einer, wie ich, dann fühlen sich die Linken furchtbar provoziert.

Entschuldige, daß ich so in die Maschine gehaut habe, ich bin sehr in Zeitnot und mich quält auch immer eine Krankheit, die ich seit 3 Jahren habe und die mich oft deprimiert weiterzuschreiben.

Hafenarbeiter

Unsere gemeinsame Bahnfahrt dauerte sechs Stationen. Trotzdem glaube ich, mir ein Bild von den drei Hafenerbeitern machen zu können, die sich neben mich, bzw. mir gegenüber gesetzt hatten; Zunächst peinlich berührt durch die Gegenwart der ruppig auftretenden Männer suchte ich mir einen Blickfang ungefähr auf der Höhe meiner rechten Kniescheibe, stellte dann aber erleichtert fest, daß diese Maßnahme überflüssig war; die drei waren viel zu sehr mit sich selbst beschäftigt. Die Männer, im Alter zwischen 40 und 50 Jahren kamen offenbar von ihrem Arbeitgeber der sie von morgens um 1/2 5 bis 1/2 9 Uhr hatte vergeblich auf die Zuteilung einer Arbeit warten lassen, das ging aus ihrem Gespräch hervor; auch, daß soetwas nicht zum 1. Mal vorgekommen wer. Der mir Gegenübersitzende fluchte besonders laut, da es ihn, weil er erst um 4 Uhr aufgestanden war, besondere Mühe gemacht hatte, noch pünktlich zu sein. Zwar wäre es ihm schwer gefallen, ohne Kaffee überhaupt wach zu werden, aber das Bier, das der eine dabei gehabt hatte, wäre ja auch nicht schlecht gewesen. Richtig wütend darüber, daß sie 'verladen' worden wären, waren die drei aber nicht. Statt dessen witzelten sie darüber, daß sie ihre Karten auch in der Kneipe, die zwei von ihnen gleich aufsuchen wollten, abzeichnen lassen könnten. An der Station '5t.Pauli' fragte der eine mit wichtigem Gesichtsausdruck, ob seine Kollegen denn auch bei einigen der Nutten Kredit hätten, was diese mit ebenso wichtigem Gesicht sofort eifrig bejahten. - Ich glaube allen dreien nicht - . Dem der nicht mit in die Kneipe kommen wollte, fiel dann ein, daß sie ihre Karte 'dabei' dann auch von Rosi vom Kietz abzeichnen lassen könnten, der Alte wäre sowieso so blöde und würde nichts merken. Zwar begriffen die Männer, daß ihnen eine Schweinerei widerfahren war, aber durch das häufige Wiederholen solcher Erfahrungen waren sie und ihre Bereitschaft zu Widerstand abgestumpft. Irgendwie hatten sie den ihnen von der Gesellschaft zugeordneten Platz seit langem akzeptiert und jeder ernsthafte Versuch, sich zu wehren, mußte ihnen aussichtslos erscheinen. Müde, mit vom vielen Trinken gelben Augen und beschränktem Vokabular schleppen sie sich durchs Leben. Gerade noch fähig hin und wieder ihre Arbeitskraft zum Verkauf anzubieten. Von Anfang an um das eigene Leben betrogen, mit bekleckerten Hosenbeinen sitzen sie mitten unter uns - ein Stadium vorm sozialhilfebedürftigen Penner, Alkoholiker sicher schon jetzt. Sie verabschiedeten sich voneinander, freundlich, fast zärtlich. Wahrscheinlich sind sie die wichtigsten Bezugspersonen füreinander. Mit der Hoffnung, am nächsten Tag mehr 'Glück' mit der Arbeit zu haben, weil 'ihnen sonst langsam die Puste ausginge' verabredeten sie sich für den frühen Nachmittag in der Wohnung des einen - er solle nur schon genug Köhm und Bier einkaufen. Hoffentlich zahlen sie keine Beiträge für die Rentenversicherung - sie werden sie sicher nicht in Anspruch nehmen.

verbrecher

sinnlos schmerzhaft wie ein rostiger nagel

in den fuß geschlagen aus freude am sadismus

ist deine situation

eingesperrt wie ein vogel im käfig

aus dem gleichen häßlichen grund

eingesperrt weil der allgemeine wahnsinn

die menschen von sich selbst

und ihrem natürlichen bedürfnis

nach gemeinschaft und wärme trennt

die psychosen die er auslöst

lassen die herrschenden

von ihren dazu hirnlos herangezüchteten bütteln

in verschlungene paragraphengitter fassen

in die sie im namen der trägen messe volk

menschen nach der gesetzmäßigkeit

der folternden vereinzelung und ausbeutung sperren

in rationellen wohnfabriken aufgemästet

haben sie die wahl schwächere wesen

in andere käfige zu sperren

wenn sie selbst von den gefährten

der eigenen abhängigkeit vereinzelt wurden

besten gewissens halten sie vögel

die eigenen kinder und auf anweisung andere menschen

in gefangenschaft damit sie zahm werden

fressen womit man sie füttert

nachplappern was die vergewaltiger selbst

nur unter schmerzen gelernt haben