Ansatz

Der andere Ansatz

Nieder mit der patriarchalischen Klassengesellschaft!

Wir lassen uns nicht in einen Haupt- und einem Nebenwiderspruch auseinanderdividieren denn Herrschaft, Unterdrückung und Ausbeutung widerfahren den Frauen in dieser Gesellschaft sowohl durch den Kapitalismus als auch durch das Patriarchat. Deshalb richtet sich unser Kampf für die Durchsetzung menschenwürdiger Lebensbedingungen gleichzeitig gegen diese beiden, oftmals jedoch ineinandergreifenden Formen des Betrugs um das eigene Leben.

Um unsere Kritik an den Frauengruppen die ausschließlich an einer Abschaffung des Patriarchats orientiert sind und meinen, 'die humane Gesel1schaft' sei bereits durch die Entmachtung der Männer in allen Lebensbereichen gewährleistet, ebenso deutlich zu machen, wie unsere Kritik an den 'rein klassenkämpferischen Gruppen‘, nach deren Meinung sich die 'Frauenfrage' mit der Abschaffung des Kapitalismus gleichsam als selbstverständliches Nebenprodukt einer wie auch immer gearteten Revolution 'beantworten' würde, wollen wir in diesem und später folgenden Artikeln unseren Ansatz darstellen.

Hinlänglich bekannt sind die Aspekte von Ausbeutung der Lohnabhängigen am Arbeitsplatz und beim 'Rückkauf' der von ihnen selbst hergestellten Konsumgüter. Die Arbeitskraft wird als Ware verkauft; die Arbeitsergebnisse und Produkte werden als das Resultat p r o d u k t i v e r Arbeit bezeichnet. Die Arbeit, die notwendigerweise geleistet werden muß, um die Voraussetzungen für die P r o d u k t i o n dieser W a r e Arbeitskraft zu gewährleisten als R e p r o d u k t i o n zu bezeichnen, ist genau so falsch, wie politisch gefährlich. Auch heute noch wird diese Arbeit überwiegend von Frauen geleistet und quasi als Geschenk dem Kapitalisten und dem Patriarchen zur Verfügung gestellt. Unser Anliegen kann jedoch nicht nur die Aufhebung der Entwertung dieser gesellschaftlich notwendigen Arbeit sein, sondern auch ihre nach Geschlechterrollen spezifizierte Verteilung muß aufgehoben werden. Einzige Ausnahme kann hierbei nur die Arbeit des Gebährens sein die auf Grund der biologischen Unfähigkeit der Männer ihren Nachwuchs selbst zu produzieren, den Frauen vorbehalten bleibt.

Rationale Argumente für andere Ausnahmen gibt es bei logischer Herangehensweise an die Feststellung des Sinns oder Unsinns einer geschlechtsspezifischen Arbeitsteilung nicht. Es sei denn, man hat ein kapitalistisches und/oder patriarchalisches Interesse am Fortbestand der existierenden Verhältnisse. Beides, sowohl Rollenverteilung, als auch Entwertung der sogen. Hausarbeit sind systemstabilisierende Momente von außerordentlicher Wichtigkeit. Die Aneignung der Produkte dieser Hausarbeit steht auf der selben geschichtlichen Entwicklungsstufe wie die Aneignung der Arbeitsprodukte der Leibeigenen durch den Feudalherren; sie wird sich auf Grund der Machtverhältnisse  ohne daß der Produzent dafür einen Tauschwert erhält, genommen.  Unsere heutige Gesellschaft die zwar von den früheren als kapitalistisch zu unterscheiden ist, trägt also wesentlichen Elemente vorangegangener Klassengesellschaften in sich!

Der Kapitalismus entstand - zumindest in Europa – im Schoße einer entwickelten Klassengesellschaft, die bereits patriarchalisch strukturiert war. Die sich durch Arbeit reproduzierende Einheit war weder die Gemeinschaft, noch das Individuum, sondern die Familie. Auch als Großfamilie zerfiel sie bereits in jeweils monogame Beziehungen zweier Personen und deren Kinder.

Die Rolle der Frau innerhalb der Institution Ehe (im Rahmen des traditionellen  Rollenverständnisses) ist zwar von Linken und Feministinnen bisher schon häufig moralisch durchaus richtig gesehen und kritisiert worden, in ihrer ökonomischen Funktion für die bisherige Gesellschaftsform aber noch nicht explizit herausgearbeitet worden.

Mit dem Hinweis, daß in ihren eigenen sozialen Beziehungen dieses Rollenverständnis bereits aufgearbeitet und abgebaut wäre , lehnen leider auch viele linke Frauen die Auseinandersetzung mit diesem Aspekt von Ausbeutung ab und übersehen dabei wichtige Ansatzpunkte für ihren eigenen Kampf, ohne zu berücksichtigen, daß sie im Bezug auf die gesamte Bevölkerung nur eine Minderheit darstellen.

Ein Tauschwert wurde der Hausarbeit wegen der "Unnötigkeit" sich selbst zu reproduzieren bisher nicht zuerkannt . Bis vor wenigen Jahren galt der Lohn, der dem Mann gezahlt wurde als Familienlohn. Als Lohnarbeiterin und damit als Doppelarbeiterin tauchte die Frau in früheren Gesellschaftsanalysen nur deshalb auf, weil infolge der zunehmenden Verschärfung der Ausbeutung der Wert der Arbeitskraft soweit sank, daß der Arbeiter diese, "seine"Frau und die gemeinsamen Kinder nicht mehr allein unterhalten konnte. Sie als Individuum zu sehen, die als solche dem Arbeitsmarkt zur Verfügung steht, kam und kommt bis heute dem Kapitalisten und auch ihr selbst im Normalfall nicht zu Bewußtsein; eine Überwindung dieses von den Frauen selber weitgehend akzeptierten Rollenverständnisses würde sowenig die Herrschaft des Kapitals gefährden, wie die Abschaffung der Lohnarbeit allein die Herrschaft des Patriarchats aufheben wird.

Um die Frage, wem die lohnlose Hausarbeit letztendlich zugute kommt, besser beantworten zu können, sollten wir ermitteln, wer, auch im Falle einer 'emanzipierten Beziehung' in den Genuß ihrer Produkte kommt. Der oder die einzelne Lohnabhängige steht am Morgen auf, macht sich fertig, legt den Arbeitsweg zurück, verbringt 8 1/2 Stunden seines wachen Lebens im Betrieb, legt nochmals den Arbeitsweg zurück, erledigt seine Einkäufe, besorgt (Arbeits-)Kleidung, Wohnung, Zubereitung von Speise und schläft. Nehmen wir eine Schlafperiode von durchschnittlich 7 Stunden an, so bleiben für die psychische Reproduktion oder das, was wir im Allgemeinen als Freizeit bezeichnen, also für das eigentliche Leben noch ungefähr 5 Stunden Zeit. Überlegen wir weiter, welchen Teil dieser Zeit unser angenommener lohnabhängiger Mensch davon noch mit dem Konsum von ihm selbst oder seinesgleichen hergestellter Produkte verbringt, (Kneipenbesuche, Fernsehen etc.) können wir zu einem relativ realistischen Eindruck des Grades der Entfremdung vom eigentlichen Leben kommen. Gehen wir mit unserer Überlegung ferner soweit, daß wir uns vorstellen, zu wessen Ungunsten eine andere Form des oben idealtypisch dargestellten Tagesverlaufes in den meisten Fällen geht, kann das Resultat nur sein, gleichzeitig mit der Herrschaft des Kapitals auch die des Patriarchats abschaffen zu wollen.

Frauengruppe der FAU-Hmb.