In meinem Papier kann ich keine vollständige Aufarbeitung der Situation der weiblichen Hälfte der Menschheit leisten und das ist auch hier nicht mein Anliegen. Ich will versuchen, die mir am wichtigsten erscheinenden Punkte so anzureißen, daß die Diskussion dieser Punkte ein nachvollziehbarer Beitrag zur Aufarbeitung der Frauenthematik werden kann. Als lohnabhängige Frau in einer kapitalistischen Gesellschaft, bin ich in ein System doppelter ökonomischer Ausbeutung und der dies stabilisierenden Diskriminierung eingebunden. Auch als Linke kann ich meine persönliche Situation hier und heute nur in geringem Maße, d. h. in dem von dieser Gesellschaft gesteckten Rahmen, menschenwürdiger gestalten, daß ich durch die Auswahl der Abhängigkeiten (Arbeitskraftverkauf, Freundeskreis, sexuelle Beziehungen) einem weniger intensiven Druck ausgesetzt bin, als eine Frau, die sich der Situation nicht bewußt ist. Alles was über diese Auswahl hinausgeht jedoch, muß, um perspektivisch eine andere Qualität zu erhalten, durch die Vorstrukturierung einer anderen Gesellschaft geleistet werden, von Frauen und Männern gemeinsam, die in einer herrschaftsfreien, klassenlosen Gesellschaft leben wollen. Sicherlich wird es auf dem Weg zu diesem gemeinsam n Ziel häufig zu einer Konfrontation zwischen linken, durch patriarchalische Strukturen geprägten Männern und linken, frauenbewußten Frauen kommen, aber nur durch diese Konfrontation ist die wirkliche Möglichkeit zu einer qualitativen Veränderung gegeben. Strukturen, die man nicht erkennt, kann man nicht verändern. Meine Sache ist es auch nicht, das Matriarchat, das genau wie das Patriarchat durch Fixierung von Herrschaft (archat), den Keim für die eigene Unterdrückung immer in sich trägt, als positive Alternative zu propagieren. Um jede(n) zu mobilisieren, mit mir gemeinsam für gemeinsame Ziele zu kämpfen, möchte ich zu einer gemeinsamen, weltweiten "entarchung" aufrufen.
"Der Umsturz des Mutterrechts war die weltgeschichtliche Niederlage des weiblichen Geschlechts. Der Mann ergriff das Steuer auch im Hause, die Frau wurde entwürdigt, geknechtete Sklavin seiner Lust und bloßes Werkzeug der Kindererzeugung. Diese erniedrigte Stellung der Frau, wie sie namentlich bei den Griechen der heroischen und noch mehr der klassischen Zeit offen hervortritt, ist allmählich beschönigt und verheuchelt, aber stellenweise in mildere Form gekleidet worden, beseitigt ist sie keineswegs." Zitat Engels, Ursprung der Familie, MEW 21, S. 61.
Naja, ein wenig plakativ, aber wie soll ein Engels, der auf Grund seines Mannseins, seines Umgangs mit Marx, der ja auch der weiblichen Arbeit einen über die Reproduktion der männlichen Arbeitskraft hinausgehenden Wert von Anfang an absprach und der zudem ein Kind einer privilegierten Schicht war und ein Bewußtsein, abhängig vom derzeitigen Stand der Produktivkräfte hatte, auch in der Lage sein, eine unserer heute möglichen Sichtweise entsprechende Erkenntnis zu formulieren. Also, nichts für ungut, Friedrich - (und außerdem ist er ja nun auch schon lange tot).
Das Verständnis der heute erkennbaren gesellschaftlichen Bewegungsgesetzt setzt eine Betrachtungsweise voraus, die nicht durch die patriarchalischen Scheuklappen der dogmatischen Marxisten beschränkt ist, deren Darstellung einer 'Frauenfrage' sich bestenfalls in dem Zugeständnis einer 'sozialen und ökonomischen Benachteiligung' erschöpft. Diese sei jedoch nur ein Nebenwiderspruch, der sich durch die Aufhebung der Klassengesellschaft (im Sinne der Abschaffung des Privateigentums an Produktionsmitteln) schon von selbst lösen würde.
- solange nur Arbeiter und Bauern die Gewehre zur Hand nehmen, wird aus den Trümmern der alten Gesellschaft auch keine sozialistische Weltrepublik steigen!
In einer auf Ausbeutung des Menschen durch den Menschen basierenden Gesellschaftsordnung (somit in jeder derzeitig existenten, sei sie nun staats- oder privatkapitalistisch oder noch auf der Stufe des Feudalismus, wobei ich, um den Rundschlag nicht zu allgemein zu halten, auf letzteres nicht weiter eingehen will), die vorgefundene, wertende Arbeitsteilung (einmal die biologische Unfähigkeit der Männer, Kinder zu bekommen, die somit faktisch die Arbeit der Erhaltung der eigenen Art, das gebären, nicht leisten können und zum andern die dem derzeitigen Entwicklungsstand der Produktivkräfte entsprechende Arbeitsteilung) und den ökonomischen Zwang einer herrschenden Klasse die Arbeitskraft zu verkaufen, wird mit der permanenten Reproduktion der Herrschaftsverhältnisse auch ein Bewußtsein reproduziert, das durch ein Akzeptieren dieser Herrschaft weniger über viele den Fortbestand derselben ermöglicht. (keuch)
Jahrtausende lang lebten Menschen über weite Gebiete zerstreut in Sippen und Großfamilien, mehr oder minder matrilinear strukturierten Gruppen zusammen. Ein Zusammenhang zwischen der Fähigkeit der Frauen, Kinder zu gebären und dem Geschlechtsakt war nicht sichtbar und somit nicht existent. Die einzige objektiv wahrnehmbare Verwandschaft bestand zwischen Mutter und Kind - die Kinder "gehörten" den Müttern. Die Religionen der frühen Kulturen waren meist Mutterreligionen, denn Vorsatz und Fähigkeit, Kinder zu bekommen, waren nicht zu unterscheiden, überlebensfähig war eine Gemeinschaft jedoch nur dann, wenn ihr eine ausreichende Zahl von Individuen angehörte.
Durch Beobachtungsprozesse vieler Generationen und Austausch verschiedener Lernschritte, bedingt durch eine zunehmende Bevölkerungsdichte in geeigneten Gebieten, "Völkerwanderungen" und die Weiterentwicklung der Produktivkräfte (wobei die aufgezählten Faktoren einander wechselseitig beeinflußten, zeitlich und örtlich in unterschiedlicher Intensität) verbreitete sich gleichzeitig mit der Erkenntnis der männlichen Fortpflanzungsfunktion auch eine Form von Arbeitsteilung, die, durch unterschiedliche Bewertung der jeweiligen Arbeiten, eine unterschiedliche Verteilung gemeinsamer Produkte rechtfertigte. Zugegeben, eine Frau, die im neunten Monat schwanger ist, könnte tatsächlich, durch ihre körperliche Unbeholfenheit, bei dem Heranpirschen an Wild, in einer Gruppe von Jägern, eher überflüssig als nützlich sein.
Auch mit einem lauthals krähenden Säugling, der, auf Grund der notwendigerweise kurzen Zeitabständen zwischen den einzelnen Mahlzeiten, von der jagenden Gruppe mitgenommen werden müßte, wird eine stillende Mutter eher dem Wild als ihresgleichen bei der Steigerung der Überlebenschancen behilflich sein. Jede andere Situation dürfte jedoch, bei einer konsequenten Betrachtungsweise, doppelte Ausbeutung der einen Hälfte der Menschheit und die dazu notwendige Diskriminierung, als irrational oder p a t r i a r c h a l i s c h entlarven. Jeder Patriarch hat mit dem Kapitalisten eine wesentliche Erfahrung gemeinsam, die Aneignung der Produkte fremder Arbeitskraft, nämlich der Arbeitskraft s e i n e r Frau. Eine Frau, die alle neun Monate ein Kind zur Welt brachte, war sicher, mit dem Druckmittel einer sich wiederholenden, kurzfristigen ökonomischen Abhängigkeit, leicht in eine Situation zu versetzen, die es ermöglichte, sie über die Aufzuchts- und Erziehungsarbeit hinaus auch noch durch persönliche Bedienung des Patriarchen und die Bereithaltung für sexuelle Ausbeutung um das eigene Leben (was ja für den Patriarchen den Wegfall all dieser Ausbeutungsgenüsse brächte) zu betrügen.
Mit der an den gesellschaftlichen Entwicklungsstand gebundenen Erkenntnis der eigenen Situation und der daraus resultierenden Notwendigkeit, sie zu verändern, sie weiterzuentwickeln, müssen sich auch alle meine werten Genossen und Kampfesbrüder die (evtl. vorhandene) Hoffnung auf ein Hinüberretten der für sie ach so angenehmen, patriarchalischen Strukturen in die sozialistische Weltrepublik, abschminken.
Von den eigenen entrechteten Müttern erzogen, zur Bereitschaft, sich durch das Deckmäntelchen der Liebe verhüllt, oft bis auf das zum bloßen Überleben ausreichende Minimum ausplündern zu lassen, selbst zum Eigentum der Patriarchen gemacht, ist die Situation der Frau 1980 nicht als menschenwürdig zu bezeichnen (Frauen der herrschenden Klasse interessieren mich nicht)!
Wir erhalten weniger Lohn als Männer, müssen unqualifizierte Arbeit leisten, müssen wie unsere Großmutter eure Kleidung waschen und stopfen, für euch einkaufen, eure Nahrung zubereiten, euer Geschirr abwaschen, eure Söhne gebären, für sie das gleiche tun, sie erziehen und beschützen, die Wohnungen, in denen wir mit euch leben, aufräumen und säubern, und damit wir auch all dies für euch tun dürfen, müssen wir uns die Lippen und Augen tünchen, unser Geld, das ihr uns zuteilt, für Friseure und Kleider ausgeben, auf Schuhen, die uns die Füße verkrüppeln, umherstolpern, unsere Beine in durchsichtigen Strümpfen zur Schau stellen oder, weil unsere Arbeit nicht einmal einen Verkaufswert erzielt oder nur unter qualvollen Bedingungen zu verkaufen ist, auf der Straße stehen und die "sexuellen Nutzungsrechte" an unseren Körper vermieten. Auf Werbeplakaten erniedrigt zum Objekt eurer Sexualität, werden Waren mit Bildern dekoriert, wie Ostereier mit rosa Schleifen zum Verkauf angeboten. Heimlich wichst ihr unsere, von euch produzierten und als Porno-Hefte gekauften, entwürdigten Bildnisse betrachtend, hinter verschlossenen Türen. Auf unseren Leibern in den Betten tut ihr meist nur das gleiche. Lassen sich einzelne das nicht gefallen, wertet ihr sie mit eurer patriarchalischen Ideologie noch weiter ab (erstaunlich, daß das überhaupt noch möglich ist). Ihr werft uns dann vor, keine normalen Frauen zu sein, weil wir innerhalb der von euch aufgestellten Normen nicht funktionieren. Wer sich dadurch noch nicht zur Umkehr bewegen läßt, wird eschlagen, und innerhalb von Beziehungen (Ehe, Liebe, bla, bla, bla) von euch nach herrschendem Recht vergewaltigt. Nur wenn eine Frau nachweisen kann, mit Würgemalen und blauen Striemen, daß ihr ihr Gewalt angetan habt, erkennt e u e r herrschendes Recht einen "Straftatbestand" an. Wird eine Frau außerhalb einer Beziehung von einem Fremden vergewaltigt, ist es euch zwar einsichtig, daß zu strafen sei (es könnte euch ja jemand die sexuellen Nutzungsrechte der e i g e n e n Frau streitig machen), aber durch die auf Erfahrung basierende Furcht vor der dann folgenden zweiten Vergewaltigung, der vor dem Gericht, kommt es selten zu Anzeigen. Wenn wir eurer Schönheitsnorm nicht mehr entsprechen, weil wir "alt" und abgearbeitet sind, werft ihr uns auf den Müll.
Sicher treffen nicht alle diese Schilderungen auf das Unrecht an einer Einzelnen zu und selten auch nur wird ein einzelner Mann die Gelegenheit gehabt haben, alle diese patriarchalischen Bräuche zu praktizieren. Aber die letzten eineinhalb Seiten sind eine Aufzählung der alltäglichen normalen Vorkommnisse. Vielleicht könnt ihr jetzt eher verstehen, warum ich auf der ersten Seite von Konfrontationen schrieb.